Natur & Spiritualität Die Liederoase
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ZEN

 

 

 

ZEN ist ein Übungsweg, der aus dem Buddhismus heraus entstanden ist. Dem Buddhismus geht es darum, aus dem Karussell des Lebens auszusteigen, äußerlich und innerlich. Der Esel, dem immer eine Karotte vor Augen gehalten wird, damit er vorangeht, bleibt einfach mal stehen und lässt die Karotte Karotte sein. Der Mensch hört auf, zu suchen nach etwas, was ihm anscheinend zu seinem Glück noch fehlt - und das er nie ganz erreicht. Kaum hat er etwas gewonnen und sich daran erfreut, fängt er an, sich daran zu gewöhnen und strebt das nächste Ziel an. Was ist, was geschieht, wenn man einfach nichts tut?

 

Dies ist die Übung des Zazen, der Sitzmeditation. Wer still sitzt, macht auch Erfahrungen: er begegnet sich selbst. Er wird all der Bestrebungen gewahr, die in ihm sind, die ihn antreiben. Er lässt sie passieren, aber ohne ihnen zu folgen. So wird er im Laufe der Zeit freier, bewusster, achtsamer. Zusamen mit einem Lehrer/einer Lehrerin kann man seine wertenden Urteile erkennen, die Muster, in denen man sich bewegt, die Gedankenketten, die sich bilden und oft wiederholen, die Gefühle, die aufsteigen.

 

Wenn sich die Konditionierungen im Laufe der Jahre tiefgreifend auflösen, gelangt man zu innerer Gelöstheit, Stärke und Freiheit. Momente der Erleuchtung in verschiedener Tiefe können diesen Weg begleiten. Vielleicht gelangt man auch dahin, dass man nichts mehr anstrebt, dass man zufrieden ist und lebt in seinem Sein. Die Leere, die man gewinnt, geht mit einer neuen Fülle einher. Die Fülle, die man verliert, geht mit einem Verlust von Ängsten, Sorgen, Wünschen und Unruhe einher. Man wird ein neues Mass finden. 

 

Anders als in anderen Religionen wird man im Zen nicht auf ein Dogma verpflichtet. Es geht nur darum, die innere Freiheit, Weite, Klarheit, Kraft, Mitgefühl und Gelöstheit zu entwickeln und zu leben. Dazu gibt es diesen strengen Übungsweg, der einem hilft, sich den eigenen Hindernissen zu stellen. 

 

 

 

 

 

 

 

Das Koan 'Mu'

 

 

Ein Mönch fragte einst Meister Chao-chou:
Hat ein Hund wirklich Buddha-Wesen oder nicht?
Chao-chou sagte:  Mu! (Nicht)

 


Verehrter Meister, darf ich fragen,
es geschah vor ein paar Tagen:
ein kleiner Hund, der kläffte nur -
ist das auch die Gott-Natur?

 

Der Meister sagte ihm direkt:
"Oh nein!" - Das war suspekt!
Es sagen doch die Schriften klar:
Die  g a n z e  Welt ist wunderbar!

 

Er ging mit dieser Frage um
und fühlte sich zuletzt ganz dumm
Das Nein galt aber nicht dem Hund -
er selber war dafür der Grund
 
Doch eines Tages wurd‘ es still
Kein Wort, kein Wissen, kein Gefühl
Die Sonne schien, ein Vogel sang
Im Frieden war er stundenlang
 
Zwei Frauen stritten auf dem Markt
Ein and'rer redete lautstark
Er sah ein herrliches Gebäck
Ein Hund, der pinkelte ins Eck

 

Da war sein Rätsel doch gelöst!
Wenn einer ganz von selbst draufstösst
und sich von Grund gewandelt hat,
ist alles, wie es ist, in Kraft!

 

 

Das Koan Mu ist die berühmteste Übungsaufgabe im Zen-Buddhismus, die noch heute den Schülern gegeben wird, um sich daran zu klären.

 

 

  Bild: Pixabay

 


Eine Tasse Tee

 

 

Der japanische Meister Nan-in empfing einen Professor der Philosophie zu Besuch. Nan-in schenkte seinem Besucher Tee ein, doch als die Tasse voll war, goss er immer weiter. Der Professor sah zu, wie die Tasse überfloss, bis er nicht mehr an sich halten konnte: »Halt! Die Tasse ist schon übervoll, mehr geht nicht hinein!«
Nan-in sagte: »Wie diese Tasse bist auch du voll von deinen eigenen Ansichten und Spekulationen. Wie soll ich dir Zen zeigen, bevor du nicht deine Tasse geleert hast?«

 

 

Da fehlt noch was - sagt sich der Mann,
der als Professor viel errang
Er war belesen, sehr gelehrt
Hoch angesehen und dotiert

 

So pilgert er zu einem Berg,
da wohnt einer Weiser, wie man hört,
der ihm vielleicht noch etwas sagt
und geben könnte einen Rat

 

Er findet ihn und stellt sich vor:
Professor Dr. Dr. Mohr
Ich komme her von sehr weit fern,
hätt' etwas Unterweisung gern

 

Der Mönch vom Berg, der lädt ihn ein
zu einem Tee, der grün und fein
Er schenkt die Tasse gänzlich voll -
und macht noch weiter – ist der toll?

 

Der Tee läuft über Tisch und Bein
Man hört den Hochgelehrten schrei’n:
'Es ist genug, es ist genug!
Was machen Sie denn für Unfug!' -

 

'Mein werter Herr, Sie können seh‘n:
in volle Tassen kann nichts geh'n!
Ist man randvoll mit altem Zeug,
mit Wissen und Gelehrsamkeit,

 

leer' man zuerst die Tasse aus,
werf' manches Alte mal hinaus,
Dann werde still und lass gescheh'n ...
So kann man Wunder hör'n und seh'n!

 

 

                                 Meditierender Mönch - Pixcabay

 
 
 
Der königliche Besuch
 
 
 
Eines Tages, als Joshu auf dem Lehrstuhl Platz genommen hatte, meldete der Aufwärter: ‚Der große König ist gekommen!‘ Joshu sah bestürzt nach rechts und links und sagte: ‚Dem Großen König Heil vieltausendfach!‘ Anstatt den hohen Besuch abzuwarten, rief er seinen Gruß dem Aufwärter entgegen! Der Aufwärter, sichtlich betroffen, sagte: ‚Er ist noch nicht da, Ehrwürdiger!‘ Da sagte Joshu: ‚Jetzt sagst Du es wieder: Er ist gekommen!‘
 
 
Der Joshu war ein alter Meister .
sein Ruf drang bis zum König vor
Der wollte  ihn mal kennen lernen
und leihen ihm ein off‘nes Ohr
 
Mit Sänfte und all dem Gefolge,
da war er fast schon an dem Ziel
Ein Mönch stand dort und schaute aus.
denn man erwartete recht viel
 
Der Zug erreichte schon die Brücke,
da lief der Mönch in schnellem Schritt
und rief: "Der König ist gekommen!
Ich habe ihn bereits erblickt!"
 
Der Meister ruft ihm gleich entgegen
 "Dem König Heil vieltausendfach!"
Ihn hat er dabei angesehen
Der Mönch, verdutzt, war noch nicht wach
 
 
 
 
 
Der Scheißstock
 
Ein Mönch fragte Yunmen in allem Ernst: ‚Was ist Buddha?’
Yunmen sagte: Kanshiketsu!*
 
 
"GOTT" in der Küche, im Salon,
in deinem Zimmer, im Büro,
Gott auf der Arbeit, dem Balkon,
im tiefen Keller, auf dem Klo
 
"Buddha" im Krieg, Buddha im Frieden,
im tiefen Hass wie auch im Lieben
Buddha im Tanz , Buddha im Schmerz
Buddha in eines jeden Wesen Herz
 
*  Kanshiketsu (Scheißstock) – ein Spatel, der im alten China zum Abwischen des Kotes verwendet wurde.
 
 
 

   Guan-Yin, Pixabay

 
 
 
Der Duft des Berglorbeer
 
 
Ein Zen-Schüler, der die Erleuchtung suchte, beklagte sich bei seinem Meister ständig darüber, dass dessen Erläuterungen unvollständig seien und der Meister ihm irgendeinen entscheidenden Hinweis vorenthalte. Der Meister versicherte, dass er ihm nichts vorenthalte. Der Schüler bestand darauf, dass es etwas gebe, was der Meister ihm vorenthalte. Der Meister bestand darauf, dass er ihm rein gar nichts vorenthalte. Etwas später gingen die beiden auf einem Pfad durch die Berge spazieren. Plötzlich sagte der Meister: 'Riechst du den Duft des Berglorbeers?' Der Schüler sagte 'Ja.' 'Siehst du,' antwortete der Meister, 'ich enthalte dir gar nichts vor.
 
 
'Riechst Du den Duft des Berglorbeer?'
so fragt der Meister seinen Schüler,
der ihn so bat um eine Lehr’,
denn er wäre gerne klüger
Erleuchtet sein, das wünscht’ er sehr
 
All unsern Kleinmut, die Bedenken,
an uns zu zweifeln, an der Welt,
die könnten wir uns großteils schenken,
wenn man einfach innehält,
um die Verwirrung zu beenden
 
Mal hilft uns da ein klarer Wille,
mal auch das Fließen eines Bachs,
vielleicht auch mal die bitt’re Pille,
ein Vogel singend auf dem Dach,
ein paar Atemzüge Stille
 
 
 
 

 

 

 

 

Wer ist mein Meister?

 

 

Ein Mönch fragte: „Wer ist mein Meister?“

Joshu erwiderte: ‚Die Wolken ziehen zwischen den Bergen dahin.

Das Wasser fällt im Tal nieder und macht kein Geräusch.’
Der Mönch meinte: ‚Danach habe ich nicht gefragt.’
Joshu sagte: ‚ Das ist dein Meister. Du erkennst ihn nur nicht.'

 

 

 

 

   Pixabay, Pinie im Huang-Shan

 

 

 

 

Wölfe im Dorf

 

 

Im Dorf wurden in der Nähe von Meister Shojus Tempel Wölfe gesichtet. Daher ging Shoju eine Woche lang jede Nacht auf den Dorffriedhof und liess sich dort zur Meditation nieder. Damit wurden die nächtlichen Angriffe der Wölfe beendet.

Die Dorfbewohner waren begeistert. Sie baten, ihnen die geheimen Riten zu offenbaren, die er vorgenommen hatte, damit sie in Zukunft das gleiche tun könnten.

Da sagte Shoju: "Es bedurfte keiner geheimen Riten. Während ich in Meditation saß, versammelte sich eine Anzahl Wölfe um mich. Sie leckten meine Nasenspitze und schnupperten an meiner Kehle. Aber weil ich in rechter innerer Ruhe verharrte, wurde ich nicht gebissen."

 

 

 

Es war einmal ein kleines Dorf,
die Wölfe hatten großen Hunger
Sie fraßen sich durch Haus und Hof,
der Ort, der lag in tiefem Schlummer

 

Am Morgen war der Schrecken groß:
'Sie werden sicher wiederkommen!
Wie werden wir die Tiere los?'
hat man sich hin und her besonnen

 

Ein Meister war in jenem Ort,
der setzte sich nur auf die Straße
in einer Nacht - und sprach kein Wort,
versenkte sich in hohem Maße

 

Und in der Tat, das Rudel kam,
es war bereits zu später Stunde
Sie waren hungrig und nicht zahm
und kreisten um ihn in der Runde

 

Sie schnüffelten an seinem Ohr,
an seinem Knie und seinem Nacken
Doch er blieb friedvoll wie zuvor,
die Tiere konnten ihn nicht packen

 

Sie kamen selbst zu einer Ruh,
vergaßen Hunger und das Wildern
Zwei legten sich sogar dazu
und alle wurden merklich milder

 

Im Dorf empfand man großen Dank
Man sammelte von allen Speisen
Die Reste, die man jeweils fand,
was immer man sich konnte leisten

 

Man gab's den Tier'n so manchen Tag,
die Wölfe hatten was zu fressen
Die Angst war weg und auch die Plag',
das Dorf beschützt, die Fehd' vergessen ...

 

 

 


 

Der Einbruch

 

 

Ryokan, ein Zen-Meister, führte das allereinfachste Leben in einer kleinen Hütte am Fuß eines Berges. Eines Abends durchwühlte ein Dieb die Hütte, musste jedoch feststellen, dass nichts zum Stehlen da war. Ryokan kam nach Hause zurück und ertappte ihn. "Du bist wohl einen langen Weg gegangen, um mich zu besuchen", sagte er zu dem Vagabunden, "und du sollst nicht mit leeren Händen weggehen. Bitte, nimm meine Kleider als Geschenk." Der Dieb war verblüfft. Er nahm die Kleider und machte sich davon. Ryokan saß nackt da und betrachtete den Mond. "Armer Kerl", murmelte er, "ich wollte, ich könnte ihm diesen wunderschönen Mond geben."

 


Vom Dieb zurückgelassen
Der Mond
im Fenster

 

 

(Ryokan)

 

Mond über den Bergen, jplenio - Pixabay

 

 

Eine Tasse Tee

 

 

Zenmeister Joshu fragte einen neuen Mönch im Kloster:
Habe ich dich schon mal gesehen? Der neue Mönch antwortete: Nein, mein Herr. Joshu sagte: Dann nimm eine Tasse Tee.

Joshu wendete sich dann einem anderen Mönch zu:
Habe ich dich hier schon einmal gesehen? Der zweite Mönch sagte: Ja, mein Herr, natürlich haben Sie das. Joshu sagte: Dann nimm eine Tasse Tee. 

Später fragte der geschäftsführende Mönch des Klosters Joshu: Wie kommt es, dass du das gleiche Teeangebot auf jede Antwort machst? 

Da schrie Joshu: Manager, bist du noch da? Der Geschäftsführer antwortete: Natürlich, Meister. Joshu sagte: Dann nimm eine Tasse Tee.

 

 

   Bambuswald Pixabay

 

 

 

Predigt

 

 

Du solltest Bäume und Felsen damit betrauen, den Dharma zu predigen, und du solltest Reisfelder und Gärten nach der Wahrheit fragen. Frage Pfeiler nach dem Dharma* und lerne von Hecken und Mauern.

 

Dogen Zenji

 

 

* Dharma bedeutet Gesetz; Sache; Lehre. Man könnte es in etwa so übertragen: Frage als rastloses Menschenwesen die ruhenden Dinge nach der Wahrheit und dem universellen Gesetz und richte Dich nach ihnen aus ...

 

 

 

   Bild: Pixabay

 

Schweigen können

 

 

Ein Mönch fragte: ‚Die gewöhnlichen Leute verehren Reichtümer. Was aber schätzt ein Mönch?‘ Joshu bat: ‚Schließ schnell deinen Mund.‘ Der Mönch fragte: ‚Wird das ausreichen?‘ Joshu meinte: ‚ Wenn du nicht die Klappe hältst, wie kannst du da verstehen?‘

 

 

 

 

 

 

Schlagfertig

 

 

Jemand fragte den Zen-Meister Joshu: “Du bist ein so heiliger Mensch. Wo wirst du dich befinden, wenn du tot bist?” Joshu antwortete: “Ich gehe vor euch allen zur Hölle!”  Der Frager war wie vom Donner gerührt und sagte: “Wie wäre das möglich?” Der Meister zögerte nicht: “Wenn ich nicht als erster zur Hölle ginge, wer würde dort warten, um Menschen wie dich zu retten?

 

 

 

   Brücke im japanischen Garten Pixabay

 

 

 

MEISTER GUDO

 

 

war der Lehrer des Kaisers seiner Zeit. Trotzdem pflegte er allein als wandernder Bettelmönch umherzureisen. Als er sich einst auf dem Weg nach Edo befand, dem kulturellen und politischen Zentrum der Shogun-Herrschaft, näherte er sich einem kleinen Dorf namens Takenaka. Es war Abend, und ein heftiger Regen stürzte hernieder. Gudo war durch und durch nass. Seine Strohsandalen waren aufgelöst. Im Fenster eines Bauernhofes nahe dem Dorf erblickte er vier oder fünf Paar Sandalen und beschloß, sich trockene zu kaufen. Die Frau, die ihm die Sandalen vorlegte, sah, wie nass er war, und lud ihn ein, über Nacht in ihrem Hause zu bleiben. Gudo nahm die Einladung an und bedankte sich. Er trat ein und rezitierte ein Sutra vor dem Familienschrein. Daraufhin wurde er der Mutter und den Kindern der Frau vorgestellt. Er bemerkte, dass die ganze Familie sehr bedrückt war, und fragte nach dem Grund. "Mein Mann ist ein Spieler und Trunkenbold", erzählte ihm die Frau. "Wenn er gewinnt, so trinkt er und wird unflätig. Wenn er verliert, so leiht er Geld von den anderen. Manchmal, wenn er sich völlig betrunken hat, kommt er nicht einmal nach Hause. Was kann ich nur tun?" "Ich will ihm helfen", sagte Gudo. "Hier ist etwas Geld. Beschaffe mir eine Gallone guten Weines und etwas Feines zu essen. Dann kannst du dich für die Nacht zurückziehen. Ich werde vor dem Schrein meditieren." Als der Hausherr um Mitternacht recht betrunken heimkehrte, brüllte er: "He, Frau, ich bin wieder da! Hast du was zu essen für mich?" "Ich habe etwas für dich", sagte Gudo. "Ich wurde vom Regen überrascht, und deine Frau war so freundlich, mich für diese Nacht aufzunehmen. Als Gegengabe habe ich etwas Wein und Fisch gekauft, also kannst auch du davon haben." Der Mann war entzückt. Er trank den Wein auf einmal aus und legte sich auf den Boden nieder. Gudo setzte sich in Meditation neben ihn. Am Morgen, als der Hausherr erwachte, hatte er die Geschehnisse der vergangenen Nacht vergessen. "Wer bist du? Wo kommst du her?" fragte er Gudo, der immer noch meditierte. "Ich bin Gudo aus Kioto, und ich bin auf dem Weg nach Edo", antwortete der Zen-Meister. Der Mann war äußerst beschämt. Überschwänglich entschuldigte er sich bei dem Lehrer seines Kaisers. Gudo lächelte, "Alles in diesem Leben ist vergänglich", erklärte er. "Das Leben ist sehr kurz. Wenn du weiterhin spielst und trinkst, wirst du keine Zeit übrig haben, um irgend etwas anderes zu vollbringen, und du wirst deine Familie zwingen, ebenfalls zu leiden." Das Bewußtsein des Hausherrn erwachte wie aus einem Traum. "Wie kann ich Euch diese wunderbare Belehrung jemals vergelten? Laßt mich Euch begleiten und Eure Sachen ein Stück weit für Euch tragen. " "Wenn du willst", stimmte Gudo zu. Die beiden brachen auf. Nachdem sie drei Meilen gegangen waren, sagte Gudo zu dem Mann, er solle zurückkehren. "Nur noch fünf Meilen", bat dieser. Sie gingen weiter. "Du solltest jetzt zurückkehren", schlug Gudo vor. "Noch zehn Meilen", antwortete der Mann. "Geh jetzt zurück", sagte Gudo, nachdem sie die zehn Meilen zurückgelegt hatten. "Ich will dir für den ganzen Rest meines Lebens folgen", erklärte der Mann. Moderne Zen-Lehrer in Japan entstammen der Linie eines berühmten Meisters, der Gudos Nachfolger war. Sein Name war Mu-nan, der Mann, der nie mehr zurückkehrte.

 

 


Der Mann, der niemals zurückkehrte

 

 

Gudo war ein Meister seiner Zeit
und zog umher im Bettelkleid
Des abends fand er einen Ort,

ein Bauernhaus und blieb auch dort

 

Durchnässt und furchtbar müde zwar,
nahm ihn die Frau doch wie er war
Er durfte bleiben eine Nacht

Zuerst hielt er am Schrein die Wacht

 

Er rezitierte ganz allein,
die Kinder sahen scheu herein
Er spürte in dem Haus das Leid,

viel Schmerz und Kummer, Einsamkeit

 

'Was ist geschehen?' fragte er,
'was macht es euch so furchtbar schwer?'
Die Mutter sprach: 'Es ist mein Mann,
der etwas nicht mehr lassen kann

 

Er spielt, ist trunken noch dazu,
kommt spät nach Hause, völlig zu'
'Ich will dir helfen', sagt der Mann
'so mach doch noch den kleinen Gang

 

und kaufe Fisch und guten Wein
Das Übrige lass meine Sorge sein!'
Die Frau, sie ging, er blieb im Haus,
saß still mit Würde überaus

 

Der Gatte kam zu später Stund'
mit einer Fahne vor dem Mund
Er brüllte: 'Frau, ich habe Durst,
und dass du mir nicht wieder murrst!'

 

Der Meister aber kam zu ihm:
'Sie gab mir Obdach, legte sich hin
Als Dank hab ich euch Fisch und Wein
So tut euch gütlich, schenkt euch ein!'

 

Der aß und trank, war ganz entzückt
und schlief und schnarchte wie verrückt
Doch saß bei ihm die ganze Nacht
der Meister und hielt still die Wacht

 

Am Morgen stand der Mann dann auf
Er wusste nichts mehr, fragte drauf,
wer e r denn sei und was da war -
Der sagte es ihm ruhig und klar

 

Der Mann, der schämte sich so sehr
Es war ihm eine schlimme Lehr',
dass dieser Mann ihn so geseh'n
und bei ihm blieb nach dem Gescheh'n

 

'Das Leben geht sehr schnell vorbei
wenn Ihr nichts pflegt als Spielerei,
dann könnt Ihr nichts mehr And'res tun
und Eure Frau wird nie mehr ruh'n'

 

Die Worte war'n verklungen kaum,
er wachte auf wie aus dem Traum!
'Lasst mich Euch dienen eine Zeit,
lasst mich das lernen, wie Ihr seid!

 

Er folgte ihm, trug seine Last,
das kleine Bündel ohne Hast
Er folgte ihm, erst Stück für Stück,
dann kehrte er nie mehr zurück ...

 


Mu-nan, ‚der Mann, der niemals zurückkehrte‘, war der Schüler Meister Gudos, in dessen Linie einige Zen-Meister in Japan noch heute stehen

 

 

 

 

 

Buchtipp

 

 

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© Jürgen Wagner