Frieden
"Die Freiheit sollte nicht schlechter bewaffnet sein als die Tyrannei"
(W. Selensky 2022)
Frieden ist keine Selbstverständlichkeit. Geschichtlich betrachtet ist er eher die Ausnahme als die Regel. Wir Europäer haben das Glück, nach dem Trauma des 2. Weltkrieges nun schon 2,3 Generationen weitestgehend in Frieden leben zu können. Doch auch der ist nicht unverbrüchlich. Nach den brutalen Jugoslawienkriegen am Ende des 2. Jahrtausends hat sich im Februar 2022 Russland aufgemacht, alte Großmachtträume zu verwirklichen, die europäischen Grenzen wieder zu verschieben und den eigenen Machtbereich zu erweitern. Das stellt uns vor die Frage: lassen wir die Kriegsverbrecher gewähren oder helfen wir dem überfallenen Land und gehen dabei selber auch Risiken ein? Müssen Demokratien künftig vielleicht noch mehr zusammenstehen, um sich gegen autoritäre und gewaltbereite Herrscher zu schützen?
Weltweit betrachtet scheint es darum zu gehen, ob autokratische Systeme und Diktaturen langfristig stärker und lebensfähiger sind als parlamentarische Demokratien, die auf die Mündigkeit und Mitverantwortung der Bürger bauen und ihnen Freiheits- und Mitspracherechte einräumen. In Diktaturen genügt ein Befehl, Demokratien brauchen Zeit und Geduld für ihre Prozesse; dafür ist Machtmissbrauch viel schwerer als in einem autokratischen System.
Wollen wir Europäer weiter in Frieden leben, werden wir auch darauf blicken müssen, wie wir vielleicht nicht mehr leben wollen: unter einer ideologischen Tyrannei, wie sie z.B. Deutschland 1933-45 durchlebt hatte. Das wird wohl darauf hinauslaufen, dass wir notfalls auch bereit und fähig sind, unsere Werte und unsere Freiheit mit Gewalt zu verteidigen.
Wie man Frieden fördern kann, können wir aus unseren eigenen Traditionen schöpfen: dankbar zu sein, geduldig, höflich, achtsam mit allem Lebendigen umzugehen. Wer selber friedvoll lebt, kann Frieden stiften. Doch Lämmer alleine werden den Frieden nicht bewahren können: man muss auch ein Wolf sein können, wenn es darauf ankommt, sonst wird man einfach zur Schlachtbank geführt.
DAS ZEICHEN
Freunde, dass der Mandelzweig wieder blüht und treibt,
ist das nicht in Fingerzeig, dass die Liebe bleibt?
Dass das Leben nicht verging, so viel Blut auch schreit,
achtet dieses nicht gering in der trübsten Zeit.
Tausende zerstampft der Krieg, eine Welt vergeht.
Doch des Lebens Blütensieg leicht im Winde weht.
Freunde, dass der Mandelzweig sich in Blüten wiegt,
das bleibt mir ein Fingerzeig für des Lebens Sieg."
Schalom Ben-Chorin (1942)
Bewaffneter Friede
Ganz unverhofft auf einem Hügel
sind sich begegnet Fuchs und Igel.
"Halt!", rief der Fuchs, "du Bösewicht!
Kennst du des Königs Order nicht?
Ist nicht der Friede längst verkündigt,
und weißt du nicht, dass jeder sündigt,
der immer noch gerüstet geht?
Im Namen seiner Majestät,
komm her und übergib dein Fell!"
Der Igel sprach: "Nur nicht so schnell!
Lass dir erst deine Zähne brechen,
dann wollen wir uns weitersprechen."
Und alsogleich macht er sich rund,
schliesst seinen dichten Stachelbund
und trotzt getrost der ganzen Welt,
bewaffnet, doch als Friedensheld.
Wilhelm Busch
Das schwindlige Boot
auf des Meeres Wogen
beneidet den Schlummer der Muschel
Wenn auch oben die Wellen sich türmen -
in der Tiefe ist Stille und Frieden
Optimist und Pessimist
Zwei Frösche sahen einen Eimer
- ängstlich war von ihnen keiner
Der erste sprang direkt hinein
Der and're sogleich hinterdrein
Mit frischer Milch war er gefüllt,
so ward ihr Hunger bald gestillt
Sie schwammen viele schöne Runden
und tranken, tranken. Fast versunken,
wollt' ersterer wieder heraus
Doch packte ihn alsbald der Graus
Der Eimerrand war spiegelglatt
Er wurd' verzagt, sein Geist wurd' matt
Was hat das noch für einen Sinn!?
Er sprach's - und sank - und war dahin
Der zweite ruderte entschlossen
und strampelte ganz unverdrossen
Es wurde Nacht, er gab nicht auf
Fast gab er selber nichts mehr drauf
Frühmorgens doch sah er sein Werk -
und fand sich auf 'nem Butterberg
Schlaflied
Die Welt, sie geht jetzt schlafen
Nun schlaf, mein Kind, auch du
Das Schifflein liegt im Hafen
Und schaukelt sich zur Ruh
Die Sonne ist versunken
Der Mond steigt leis hinauf
Die Stern' am Himmel funkeln
Und haben ihren Lauf
Die Erde ist so stille
Der Himmel ach so weit
Es zirpt die kleine Grille
Ein Lied zur Traumeszeit
Tipp: ein kleines Friedensbrevier