PAGANE WURZELN - EUROPÄISCHE MYTHOLOGIE
Mythen sind Bilder für unsere Seele
Geschichten Nahrung für unseren Geist
Ein Ritus ist Hilfe, auf die man zähle
Tief innen der Ort, an dem du weißt
RABENGEDANKEN
Der Göttervater reiste nicht allein,
zwei schwarze Raben waren sein
Früh morgens flogen sie hinaus
und brachten Kunde spät nach Haus
Heut sprachen sie: du lieber Gott,
allmählich geht die Welt bankrott
Du musst mal nach dem Rechten sehn!
Der Mensch, der will es nicht versteh'n,
dass er die Erde ruiniert
Er schaut nur, dass er expandiert!
Durch ihn verschwinden so viel Arten
Gehört nur ihm der Erdengarten?
Darf er den Erdenschatz leerräumen
und nachts von fernen Welten träumen?
Darf er den Wald, das Meer ausrauben
und sonntags an die Götter glauben?
Die Raben war’n ganz aufgebracht
Der Gott hat lange nachgedacht …
Als er sein Schweigen endlich brach,
da lauschten sie, was er nun sprach!
"Ich ruf es in die Menschenwelt:
Oh Mensch, es kommt, was man erwählt!
Die Götter legen es dir vor:
Behüt‘ das Haus – oder bleib' ein Tor!"
Als der fränkische König Chlodwig, der bereits viele fränkische und germanische Stämme unterworfen hatte, sich um 500 n. Chr. taufen ließ, war das Schicksal der alten germanischen Götter und Mythen schon fast besiegelt. Der neue Mythos aus dem Orient, der die himmlische Welt auf einen einzigen König reduzierte und mit Sohn und Geist eine neue dynamische Dreiheit hatte, war in seiner Einfachheit und Konzentration einfach stärker und überzeugender als die komplexe alte Götterwelt mit ihren vielen Konflikten und Streitigkeiten, die sich im irdischen Leben spiegelten.
So trat die (erst mal nur männliche) göttliche Dreifaltigkeit das Erbe des Polytheismus an, Engel und Heilige übernahmen die Lebensbereiche der alten Götter, so dass der Übergang leichter wurde. In den Herzen der Menschen aber herrschte bald die Regina coeli, die Gottesmutter Maria, die das Erbe der alten Göttinnen antrat.
Doch diese neue Religion hatte eine große Schattenseite: ihr gewalttätiger Absolutheitsanspruch. Dieser orientalische Schöpfergott duldete niemand anderen mehr neben sich. Die alten Götter mussten ausnahmslos weichen mit all ihren Symbolen und Riten, Priestern und Stätten. Das war der Preis des Monotheismus. So war es zuvor im Judentum gewesen und wiederholfte sich später im Islam.
Man hielt sich an die alttestamentlichen Vorgaben für die Israeliten für den Umgang mit anderen Kulten:
"Ich bin der Herr, dein Gott. Du sollst keine anderen Götter neben mir haben" (2. Mose 20/1f).
So wurde im Lauf der Jahrhunderte konsequent alles getötet und ausgelöscht, was die alten Kulte ausmachte. Sie wurden verunglimpft, herabgesetzt, entwürdigt, dämonisiert, verboten, vernichtet. Was man nicht auslöschen konnte, wurde überformt oder überbaut.
Aus dem Frühlingsfest wurde das Fest der Auferstehung Jesu. In den geweihten Nächten brachte nicht mehr Holle/Percht die Gaben und die moralische Ermahnung, sondern Nikolaus, Knecht Ruprecht und das Christkind. Aus den Nornen am Weltenbrunnen wurden Feen, die manchmal an der Wiege eines Kindes sein Schicksal bestimmten. Petrus übernahm von Thor das himmlische Wetteramt, Maria wurde die Göttin und Himmelskönigin, die den Menschen nahe war und an die sie sich (ohne Furcht) wenden konnten. Sie wurde die Mittlerein (Fürsprecherin) zu dem unsichtbaren, jenseitigen Allmächtigen. Die Frau mit Herz und Gefühl übernahm die Rolle, die in der Dogmatik eigentlich Jesus inne hatte. Die alten Kultstätten wurden, wie z.B. in Chartres, mit einer Kirche überbaut, die alte Heilquelle wurde zugemauert.
Auf der Insel IRLAND vollzog sich ein r e l a t i v friedlicher Wandel vom Heidentum zum Christentum, von einem alten zu einem neuen Mythos. Der keltische Sprachraum von Nordfrankreich bis Schottland bewahrte deutlich mehr von der alten Kultur als die fränkisch-germanischen Reiche. Nur noch in ISLAND, das aufgrund des massiven Drucks des getauften norwegischen Königs Olav Trygvasson um 1000 im Althing die Übernahme des Christentums beschloss, verlief der Wandel unblutig, da der Schiedsspruch beinhaltete, dass man auch den alten Göttern in Stille dienen dürfe. So ist auch die altisländische Literatur eine der wenigen verbliebenen Quellen für vorchristliche Spiritualität in (Nord-) Europa.
Der Untergang eines Mythos war und ist der Untergang einer Welt. Solch große Umwälzungen können erst im Nachhinein beurteilt und eingeschätzt werden. Die Brutalität, mit der dieser Umbruch in Europa stattgefunden hat, macht es nötig, das Alte noch einmal anzusehen nach dem christlichen Grundsatz: 'prüfet alles - und das Gute behaltet!' (1. Thess 5/21). Das wollen wir hier wenigstens ansatzweise versuchen und die alten Bilder und Motive auf unsere Zeit hin noch einmal sichten. Da wir an Quellen fast nur skandinavische Texte haben, müssen wir uns an ihnen orientieren. Archäologische Zeugnisse auf dem Kontinent zeigen, dass die Götter wohl dieselben waren, aber vermutlich eigene Akzente bekamen.
DER HEILIGE HAIN
Die Griechen hatten Tempel,
die Juden Synagogen
Sie pflegten ihre Sagen,
damit sie nicht verflogen
Doch uns'rer Ahnen Kirchendach,
das war der weite Himmel, ach!
Und uns're Heil'gen Schriften,
die konnt' die Erde stiften
Das Heiligste, das gab es auch,
dem Weltenbaum galt alter Brauch
Die Weltensäule wurd' errichtet,
wie man uns hier und da berichtet
Man traf sich in den heil'gen Hainen,
sich zu beraten, zu vereinen,
zu opfern und um Gunst zu bitten -
und das in der Natur inmitten
Sie selbst, sie war das Gotteshaus,
die Schrift, aus der man alles las heraus
Auf eines war man nicht erpicht:
den Frieden wollt' man leider nicht
Versöhnung, die gab's äußerst selten;
wer Rache übte, wurd' zum Helden
Drum mussten wir uns wohl bekehren,
befolgen and're, neue Lehren
Doch immer noch ruft uns der Wald,
der Bach, der Stein, die Quelle,
der Fels, der See, Naturgewalt -
und jede schöne Stelle
Was heilig ist, wohnt auch in uns,
in einem jedem Wesen
Wir kämpfen für den Fried auf Erd' -
und dass wir selbst genesen
Der mystische Weltenbaum
Die Alten hatten einst gefunden,
mit allem sind wir stets verbunden
An seinem Ast bin ich ein Blättchen,
an seinem Fuße eins der Mädchen
ein Wasserbrunnen in den Tiefen,
vier Hirsche, die zu ihm hin liefen,
der Riese mit Naturgewalt,
ein list'ger Zwerg in Kleingestalt,
ein Vogel hoch im Himmelreich,
ein Gott, den keiner mehr erreicht,
die Schlange auch am Wurzelwerk,
und Fäulnis, die man fast nicht merkt
In seiner Zeit bin ich ein Stündchen,
von seiner Kraft ein kleines Fünkchen
Eine innere Reise zum Weltenbaum
Schließ deine Augen, komm zur Ruh
und gib noch etwas Zeit dazu
Dann lass den Baum in dir ersteh'n,
den WELTENBAUM - bis du kannst seh'n
das starke Wurzelwerk am Boden,
die weite Krone ganz hoch droben,
den dicken Stamm, die starken Äste,
das satte Grün, das Holz so feste
Dann sieh dich selbst zu seinen Füßen
Ein Eichhörnchen, das mag dich grüßen
Die Vögel zwitschern in den Zweigen
Da möchte man doch mal hochsteigen
Erklimme langsam Ast um Ast
und mache unterwegs mal Rast
und steige weiter in die Höhen,
um dich im Lande umzusehen
Dazu braucht's etwas Sonnenschein
Das Himmelreich ist klar und rein
Das Dunkel weicht, die Nebel zieh'n
Du nimm Dir Zeit, brauchst nicht entflieh'n
Schau links, schau rechts, schau oben, unten
Und hast du auch etwas gefunden,
steig' vorsichtig wieder herunter
und setze dich ganz froh und munter
Die Zeit vergeht, da hörst du's glucksen
So schön, du magst dich gar nicht mucksen
Die Quelle sprudelt, tränkt den Baum,
lässt spriessen Gras und Blütentraum
So geh zum Brunn und knie dich nieder
Erbitt zu trinken. Deine Glieder
samt Geist und Seele nehmen's auf
Wie hell und klar des Wassers Lauf!
Erfrischt schaust du - und siehst drei Frau'n
Sie werfen Lose, mögen schau'n,
wie unser Weg mag weitergehen
Sie deuten's dir - willst du es sehen?
Bedenke wohl die deine Frage
Dann geh, bitt' höflich ohne Klage,
was du auf deinem Herzen hast
Dann warte, gönn dir etwas Rast
Vielleicht mag eine Antwort kommen
Ein Los, ein Zeichen kann dir frommen
Verneig dich, kehr zum Baum zurück
Verweile dort - dann kehr zurück
und öffne wieder deine Augen
Bewegung kannst du dir erlauben
Ein inn'res Bild zur geist'gen Reise:
gebrauch und lös' es achtsam, weise!
Götter und Menschen
Mit uns Menschen sind sie geworden
Mit uns'ren Nöten und uns'ren Sorgen
Mit uns’ren Wünschen und uns'ren Plänen
Mit uns’ren Ängsten - und uns'rem Wähnen
Sie begleiten uns're Wege
Sind uns Anker, Sterne, Stege
Sind Geländer und ein Stab
Etwas, das sich mal begab
Mit uns werden sie wieder gehen
Mit uns nach all den vielen Wehen
Von uns gerufen und von uns erweckt
In uns verborgen und niemals perfekt
Frei sind wir, wenn wir selber es sind
Erwacht im Geist und der Erde Kind
Wir dürfen es werden, wir mögen es sein:
Ein gekelterter, mundiger, reifer Wein
Pixabay
Die Riesen
Früher glaubte man an Riesen,
die sich nicht beherrschen ließen,
Mächte, die die Welt bedrohen
Götter kämpfen mit den Rohen
Thor, der packt den Hammer aus
Loki führt's mit List hinaus
Kaum einer, der sie respektiert,
sie schätzt, kooperiert
Heute glaubt man an Verschwörung,
frönt dem Hass und der Empörung
Eliten, die uns manipulieren
Wutbürger, die laut demonstrieren
Was uns zieht in seinen Bann,
was man nicht beherrschen kann,
das werden wir noch vielfach spüren
Nicht alles lässt sich kontrollieren
Die germanischen Stämme
Sie lebten permanent im Krieg
und nichts war schöner als ein Sieg
Mit Beute, Reichtum, Frauen, Ehre:
oh dass mich einer kämpfen lehre!
Ein jeder Stamm, der focht für sich
Das Blut entschied, die Ratio wich
Und für den allerschlimmsten Fall
kam man als Krieger nach Walhall
Das kann des Lebens Sinn nicht sein!
Und heute seh'n wir das auch ein
Doch noch als Christ hat man gekämpft,
den heißen Mut noch nicht gedämpft
Der WODAN, der muss Weisheit finden
und wir uns noch mal neu verbinden,
damit wir achten, fühlen, hören,
uns nicht nur streiten und empören
Der Frieden ist nicht leicht zu haben
Nur wenn wir nutzen uns’re Gaben
zu dem, was allen Wesen dient,
erfahr’n wir, was dem Menschen ziemt
Wie die 'Langobarden' zu ihrem Namen kamen
Sie wollten die Winniler schlagen,
so planten es einst die Vandalen
für Beute und für eine Steuer -
die käme dann so richtig teuer!
Doch WODAN sprach zu den Vandalen:
‚Um einen Sieg davonzutragen,
müsst‘ ich euch früh als erstes sehen,
bei Sonnenaufgang euch erspähen!‘
Dann hielten Rat auch die Winniler,
denn auch dort gab’s tapf‘re Krieger
Man wollte sich nicht still ergeben
und zahlen für das ganze Leben!
Man wollte lieber mutig kämpfen
und sich bewahr’n als freie Menschen
So rief man an des WODANS Frau
Auch FRIGGA hatte eine Schau:
‚Bevor der Tag noch hat begonnen,
soll‘n Frauen mit den Männern kommen,
die Haare ins Gesicht sich hängen,
als hätten Bärte sie mit Längen!‘
Am nächsten Morgen in der Früh,
der WODAN schlief, so weckte SIE
ihn auf, ließ ihn herunter blicken
Die Überraschung musste glücken!
„Wer sind die mit den langen Bärten?“
„Oh mein Gemahl, d i e müssen’s werden,
die Du gerade hast benannt,
die führ nun auch mit deiner Hand!
Und WODAN gab die Kraft, die Wut,
den langen Atem und den Mut
So schafften sie den Sieg, den harten -
und nannten sich nun „Langobarden“
Die Langobarden hießen früher die Winniler. Die Sage erzählt von der Namensänderung. Die Langobarden von der Unterelbe, die in ihren besten Zeiten kaum mehr als 100.000 Köpfe zählten, gründeten in Oberitalien eine große Kulturlandschaft, die nach ihnen bis heute die Lombardei heißt. Doch standen sie in Sachen Brutalität den sprichwörtlich hausenden Vandalen in nichts nach.
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